Keine ZEIT für MAHLzeiten?

Essens-Atmosphäre„Aus Mangel an Ruhe läuft unsere Zivilisation in eine neue Barbarei aus. Zu keiner Zeit haben die Tätigen, das heißt die Ruhelosen, mehr gegolten. Es gehört deshalb zu den notwendigen Korrekturen, welche man am Charakter der Menschheit vornehmen muss, das beschauliche Element in großem Maße zu verstärken.“
(Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches )

Viele Menschen kommen in meine Praxis, mit massiven Ernährungsproblemen. Sie leiden an Krankheiten und sind gezwungen ihr Leben umzustellen, eine „Lebensstilmodifikation“ vorzunehmen, um in ihr Wohl und Gleichgewicht zurück zu finden. Doch Vernunft und Wissen reichen da längst nicht aus, um etwas zu bewirken. Und häufig wird gar nicht mehr auf´s Wesentliche geschaut, so sehr ist man „mit der richtigen, gesunden Lebensmittelauswahl“ beschäftigt – oder mit etwas ganz anderem….

Da ist z.B. die alleinerziehende Mutter, die bei einem Rechtsanwalt arbeitet. Ihre Tochter ist massiv übergewichtig, deshalb nehmen sie Beratung in Anspruch. Doch bereits in der ersten Stunde wird klar:
In dieser Familie herrscht so etwas wie „Wohlstandsverwahrlosung“, denn die Mutter hat ja KEINE ZEIT für Essen.

Keine Zeit einzukaufen, keine Zeit ein Frühstück zu richten (sie muss ja mit dem Hund raus), keine Zeit zu unter der Woche zu kochen (sie muss ja arbeiten), keine Zeit abends für eine gemeinsame Mahlzeit zu sorgen (sie muss in Sport). Und die Tochter hat ja auch keine Zeit (sie muss für die Schule lernen), keine Zeit zu frühstücken (sie möchte länger schlafen), keine Zeit etwas richtiges zum Mittag zu essen (die Pausen sind ja so kurz – Bäcker muss genügen), keine Zeit abends zu kochen (sie hat ja so Hunger, da muss es schnell gehen) und überhaupt….ist sie zu faul sich für Essen Zeit zu nehmen…..

Und so macht jeder in der Familie mit SEINER Essenszeit, was er will und wann er will.

Ein Einzelfall? Mitnichten!

Da ist der Kühlschrank des Managers, der nie Zeit hat einzukaufen. Er ist leer, bis auf ein paar Flaschen Bier. Selbst wenn er mal Lust hätte, sich etwas zu kochen, oder jemanden zu bekochen, es wäre nichts im Haus, man isst ja auf der Arbeit….und hat Business Lunches.

Da ist ein weiterer Manager, der wegen „akuten Bauchschmerzen“ und Verdacht auf Nahrungsmittelunverträglichkeit zugewiesen wird. Bis zur Beratung hat er keinerlei Ahnung davon, dass das Gros seiner „Schmerzen“ einfach nur Hunger ist, da er bis 20 Uhr Abends keine Zeit zu Essen hat und danach Schmerzen hat von Völlerei.

Da ist die Frau mit den Nahrungsmittelunverträglichkeiten….Doch wen wundert es: Es gibt keine regelmäßigen Mahlzeiten, diese Mahlzeiten bestehen nicht aus Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten, sondern sind die Aufnahme „isolierter Lebensmittel“ (Schnell mal einen Apfel, schnell mal eine Brezel), denn Zeit für „richtiges Essen“ ist ja nicht da und außerdem will man ja nicht zunehmen….

Da ist die Frau mit Magersucht. Erst Abends um 19 Uhr „erlaubt“ sie sich zu essen. Vorher gibt es keine MAHLzeit.

Und – da ist der Mann, der mir erzählt, dass in seiner Firma die Essenspausen auf 25 Minuten gekürzt wurden und es „verboten“ ist, gemeinsam Mahlzeiten einzunehmen, weil die Maschinen nicht unbeaufsichtigt bleiben dürfen.

In fast jeder meiner Beratungen wird ZEIT als Ausrede benutzt, um zu erklären, warum es a.) keine regelmäßigen Mahlzeiten gibt, sondern nur Chaos von Tag zu Tag und warum es b.) nie ausgewogene Mahlzeiten mit c.) frischen Lebensmitteln und als gekochte Mahlzeit gibt. Der moderne Mensch HAT keine Zeit und verschleiert damit so einige Dinge….

Heute hat sich die Arbeitszeit zu DER ZEIT schlechthin totalisiert. SIE gilt – und sonst gilt nichts mehr….
Doch manche Zeiten lassen sich nicht beschleunigen:

Die Erzählungen, das Gespräch, die Tee-Zeremonie, die Jahres-ZEITEN, die MAHL-Zeiten, die KochZEITEN, Liebkosungen, Gebete, Prozessionen, ein Musikstück, ein Gedicht – all das lässt sich nicht beschleunigen und wenn dieser Versuch unternommen wird, so wird die narrative Zeitstrukutur, der Thythmus und der Takt zerstört….nicht nur einer Erzählung, auch die einer ritualisierten MahlZEIT (kochen, Tisch decken, servieren, sich guten Appetit wünschen, anstoßen, gemeinsam speisen und dabei reden, mit allen Sinnen genießen, Tisch abräumen….)

Die wirkliche Zeitkrise ist die, dass uns jene Zeitformen abhandengekommen sind, die keine Beschleunigung zulassen, Zeitformen, die eine Erfahrung der Dauer möglich machen, wie Byung-Chul-Han in seinem Zeitartikel schreibt. Die heutige Leistungsgesellschaft nimmt die Zeit selbst in Geiselhaft. Sie fesselt sie an die Arbeit.

Das gemeinsame MAHL, die MAHLzeit, das GASTmahl, wird zur Nebensache, doch nicht nur das: Das gesamte Ritual und damit STruktur gebende Element der Mahlzeit verliert an Wert und wird am besten gänzlich aus dem Leben gestrichen. FASTfood und nebenher Essen tritt an seine Stelle.

Ganz anders bei Babette´s Gastmahl oder Babettes Fest – ein wunderbare Geschichte, ein wunderbarer Film über KochKUNST, EssGENUSS und MahlZEIT…

Es lässt sich gut mit Byung-Chul-Hans Erkenntnissen zusammenfassen:

Die Zeit, die sich beschleunigen lässt, ist eine Ich-Zeit. Sie ist die Zeit, die ich mir nehme. Es gibt aber eine andere Zeit, nämlich die Zeit des Mitmenschen, eine Zeit, die ich ihm gebe. Die Zeit des Anderen als Gabe lässt sich nicht beschleunigen. Sie entzieht sich auch der Leistung und Effizienz. Die Zeitpolitik des Neoliberalismus hat heute die Zeit des Anderen, die Gabe, ganz abgeschafft. Notwendig ist nun eine andere Zeitpolitik. Im Gegensatz zur Ich-Zeit, die uns isoliert und vereinzelt, stiftet die Zeit des Anderen die Gemeinschaft, ja die gemeinsame Zeit. Sie ist die gute Zeit, so Han.

Auch ich arbeite viel, 10-14 Std. pro Tag sind dabei keine Seltenheit, doch lasse ich mir von niemandem die WERTvolle, SINNvolle Zeit von gemeinsamen MAHLzeiten von niemandem nehmen. Sie sind mir heilig.

Gemeinsam schnippeln, in der Küche brutzeln und sich dabei über Gott und die Welt unterhalten, gemeinsam speisen und gemeinsame Zeit zu verbringen, das, was gekocht wurde mit allen Sinnen genießen, die Farben, Formen, Texturen, die Gerüche, Geschmäcker…es duftet, es wärmt, es nährt…nicht nur das Essen per se, sondern das zusammen ZEIT verbringen….LebensZEIT….lachend, erzählend, am Leben des anderen teil habend, sich einander hingebend….Wer glaubt, ERNÄHRUNG wäre gesünder, als eine gemeinsam gelebte MAHLzeit, der irrt, denn Essen und gemeinsame MahlZEITEN sind viel mehr, als sich zu ernähren….

Zum Beispiel schenkt uns eine geregelte Strukturierung des Alltags durch ritualisierte Mahlzeiten, weit mehr als nur „Nährstoffe“: Sicherheit, Verlässlichkeit, unsere Hunger-Sättigungswahrnehmung stellt sich zuverlässig auf diesen Rhythmus ein, Zugehörigkeitsgefühl, wir üben und lernen soziale Kompetenzen uvm – und – das weiß jeder, der alljährlich „Dinner for one“ anschaut – Rituale beruhigen und machen das Leben einfach einfacher….

Wer von Ihnen Mühe hat, sich für das Wesentliche einer „gesunden Ernährung“ Zeit zu nehmen, nämlich für gemeinsam eingenommene MahlZEITEN, der darf sich gerne an uns wenden  – wir suchen mit Ihnen nach Lösungen und nach Gründen für das „keine Zeit HABEN“ oder „sich keine ZEIT nehmen“ oder „es sich nicht wert sein“, diese Zeit als WERTvolle, nährende ZEIT zu begreifen.

Beratung beginnt dort, wo Wissen und Wollen nicht einfach in Tun umschlägt. Sprechen Sie uns an.

(Wer meinen Fachartikel zum Thema „Essen ist mehr als sich ernähren oder die Agnoie des Essens und des guten Geschmacks) lesen möchte, kann sich gerne bei mir melden).

Skyr – das neue „Superfood“?

SkyrNun ist er also auch in der Provinz angekommen. Skyr – DAS insländische Traditionsmilchprodukt. Und wir ahnen es: Es kommt nicht aus Island, sondern ist über Stars und Sternchen aus den Staaten zu uns herüber geschwappt. Und wer jetzt denkt, das Produkt käme von glücklichen irischen Kühen, der irrt. So viel Kühe gibt es in Island gar nicht! Das Produkt stammt von „glücklichen“ deutschen Kühen und hat mit Irland und dem Originalprodukt nicht wirklich viel zu tun – das zumindest sagen mir Leute, die schon mal in Irland waren….

Sei es drum. Der Skyr – nach isländischer Art ist da und angekommen, in den Lidl, Aldi, Rewe, Edeka und sonstigen Lebensmittelgeschäften, direkt neben Quark und Joghurt, so dass sich ein genauer Blick darauf lohnt:

  1. Was ist Skyr?

Skyr ist ein Produkt das sich zwischen Quark und Joghurt ansiedelt und zu den Frischkäseprodukten zählt. Alle drei Produkte werden aus Kuhmilch hergestellt.

Quark gewinnt man durch Dicklegung und Säuerung (Impfung) von Kuhmilch. Gesäuert wird mit Milchsäurebakterien und Lab, was dazu führt, dass die Milch gerinnt und sich der frische Käse und die Molke voneinander trennen. Um verschiedene Fettstufen zu erhalten, wird nachträglich noch Sahne zugeführt.

Im Unterschied zum Frischkäse, bei dem die Molke (also das „Flüssige der Milch“ abläuft, handelt es sich beim Joghurt, um eine dickgelegte Milch. Entstanden ist der Joghurt früher einfach zufällig, durch irgendwelche Bakterien, heute „impft“ man Milch ganz gezielt mit Milchsäurebakterien.
Allein schon durch den Herstellungsprozess wird deutlich:
Quark ist dicker, Joghurt enthält mehr Wasser, was sich auch auf die Nährstoffzusammensetzung auswirkt.

Nun aber zum Skyr: Ist das nun Joghurt, oder Quark? So wie ich die Produktion verstehe, wird Skyr genau so wie unser Quark hergestellt. Kuhmilch der Magerstufe wird erhitzt, dickgelegt mit Lab und Milchsäurebakterien und die Molke läuft ab….Einzig und allein das Nachfetten mit Sahne scheint zu entfallen, was Skyr natürlich fettärmer macht….

Woher der höhere Preis kommt ist produktionstechnisch auch nicht nachvollziehbar, wahrscheinlich einfach, weil hippe, trendige Lebensmittel immer einen höheren Preis haben – schließlich bestimmt die Nachfrage den Preis.

2. Nährstoffe im Vergleich

Also wenn Sie mich fragen: Skyr ist für mich nichts anderes als normaler Magerquark, evtl. mit ein wenig mehr Restmolke. Ich würde meinen, dass weder die Kalorien, noch diese minimalen Mengen  mehr Eiweiss oder weniger Fett ein Argument für den Neuling im Kühlregal darstellen.
Einzig und allein beim Calcium scheint der Neuling die Nase vorn zu haben, doch diese  Angaben finden sich nicht auf den Verpackungen der Produzenten, sondern einzig und allein bei einer Analyse der Stiftung Warentest.

Und was ist mit den probiotischen Bakterienkulturen? Wie viele lebende Bakterien in Skyr sind konnte ich nirgends finden, so dass momentan dazu nichts gesagt werden kann. Wäre es ein probiotisches Lebensmittel, so hätten zumindest die Hersteller sicherlich dieses Faktum erwähnt, oder?

 pro 100g 20% Quark  Mager-
quark
Skyr Griech. Joghurt Mager-joghurt
Kcal 97 71 62-65 122 37
Eiweiss 11 13,5 11 4,1 3,5
Fett 4,4 0,3 0,2 9,2 0,1
KH 3,6 3,2 4,0 5,8 4,9
Ca 92 151 143

Was bleibt? Da Milchfett kein Problem für die Arterien darstellt, ist eh fraglich, ob unbedingt auf fettarme Produkte zurückgegriffen werden soll. Viel entscheidender ist doch, dass viele Konsumenten auf fettarme Milcherzeugnisse zurückgreifen, die nicht „Natur“ sind, sondern Früchte und Zucker enthalten. Weder besser für die Energiebilanz, noch für die Gefäßwände. Und das gilt für alle gezuckerten Produkte, egal ob Quark, Skyr oder Joghurt.

3. Mein Fazit

Ich mag den Geschmack den Newcomers. So stichfest wie Quark und doch leicht cremig wie Joghurt, mir von der Säure angenehmer als unser Magerquark.
Deshalb mische ich gerne Quark mit Joghurt, doch mit Skyr habe ich dazu eine gute Alternative, wenn ich dazu bereit bin, mehr Geld auszugeben.
Ich mag die Konsistenz des Newcomers. Es ähnelt griechischem Joghurt oder mit Mineralwasser cremig gerührtem Quark.
Und ich mag die Säure..

Doch um der Gesundheit willen brauchen wir Skyr nicht wirklich und können getrost bei Quark und Naturjoghurt bleiben.

Also mitnichten ein neues Superfood, aber eine gute Quarkalternative, wenn man Geschmack, Säure und Konsistenz von Skyr mag.