Angst und Ernährung Teil 1 – Machtmittel

profeat_1Wir kennen es von den Populisten. Das Machtmittel Angst. Erst ängstigen, dann wie in einem guten Horrorfilm die Katastrophe greifbar, spürbar, sichtbar zu machen um dann – tara – den heilsbringenden Retter präsentieren.

Wir kennen dieses Phänomen auch von den Leuten, die gerne in Pippi Langstrumpf-Manier mit Hilfe der postfaktischen Realität ihre eigene Weltsicht kreieren, getreu dem Motto: Ich machmir die Welt Widdewidde wie sie mir gefällt. Auch sie spielen gerne mit Angst und Drohgebärden, insbesondere dann wenn Leute ihrer Weltsicht nicht folgen wollen.

Doch was hat das mit Ernährung zu tun?

Kennen Sie Sprüche wie:

„Unsere Böden sind ausgelaugt“, „wer nicht auf seine Ernährung achtet, wird krank“, „Kaffee entwässert“, „dies ist gesund, jenes ist ungesund“ „Unsere Lebensmittel enthalten keine Vitamine mehr“ „Cholesterin verstopft die Gefäße“, „wir sind alle übersäuert“, „Nahrungsmittelallergien nehmen zu“, „Kohlenhydrate machen dick“, „Zucker ist das neue Gift“…uaaaah – merken sie schon die Bedrohung? Bekommen Sie schon Angst?

Und auch in der Ernährung wird das Ganze dann gesteigert und eine Art Katastrophen-Szenario aufgebaut, nicht immer direkt – es geht auch subtiler: Um gesund zu bleiben müssen wir uns gesund ernähren (heißt – wer sich nicht gesund ernährt wird krank); Superfood sind supergesund (heißt – wer keine isst, gefährdet seine Gesundheit?). 5 Gemüseportionen am Tag sind wichtig für unsere Gesundheit (heißt das, wenn wir weniger essen werden wir krank?) oder „Fett macht fett“, „Kohlenhydrate machen dick“ oder „wer abnehmen will muss low-carb essen“

Die Liste dieser Botschaften ist lang und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie können diese beliebig erweitern.
Und wie bei den Populisten kommt dann die Rettung: Das Heilsversprechen, das Heilsprodukt, der Heilsbringer….

„Unser Produkt „verbrennt Fett“; „Unsere Diät hilft garantiert“, „wir wissen, was das richtige Maß, die richtige Mahlzeitenzusammenstellung, die richtige Ernährungsempfehlung ist“ uvm.

und siehe da: Mit der Angst und der Rettung ist auch im Gesundheitssystem gut Geld zu verdienen, denn Menschen lieben es, wenn sie sich in ihren Ängsten und Sorgen und Nöten verstanden fühlen und ernst genommen werden und sie lieben „einfache Lösungen“ – da kommen Heilsbringer rund um Ernährung gerade richtig!

Ich möchte Sie nicht entmutigen, aber ich sage es Ihnen trotzdem:

DIE Gesundheit gibt es nicht und nicht, womit sie herstellbar wäre. Griechen nannten Gesundheit ein Geheimnis….und diese Demut würde modernen Menschen auch ganz gut zu Gesicht stehen.
DIE eine gesunde Ernährung gibt es nicht und keine, die wenn befolgt, Gesundheit herstellt.
DAS eine gesunde Lebensmittel gibt es nicht, denn die alte Regel von Paracelsus gilt noch immer: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei.“

Doch es funktioniert trotzdem, Menschen auch im Ernährungsbereich zu Handlungen zu bringen und Dinge jenseits der Faktizität glauben zu lassen – eigentlich alles, was man ihnen erzählt. Es funktioniert deshalb, weil die Rattenfänger der Ernährungs- und Gesundheitswirtschaft ähnlich, wie Populisten, längst erkannt haben wie man Menschen mit Angst führt und zu folgsamen Konsumenten erzieht, denn bei Angst handeln Menschen noch wie in der Steinzeit -Doch dazu später.

Wie wusste schon R.W. Emerson zu sagen: Angst besiegt mehr Menschen als irgend etwas anderes auf der Welt.

Und D. Bonhoefer, der ja wirklich Grund genug hatte sich zu ängstigen: Den größten Fehler den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen.

 

 

 

Von Elefanten lernen – Ein Stück Mitmenschlichkeit

EmotionenZwei Geschichten und eine Erkenntnis

Ein Kind weint in meiner Beratung. Man sieht dem Jungen an, dass das Gefühl Traurigkeit von seinem kleinen Wesen Besitz ergreift, man spürt, wie es ihm geht. Ich schweige, reiche ihm ein Taschentuch und bin einfach nur da. Sofort meldet sich die Mutter zu Wort und sagt: „Ach Tom, das ist doch nicht so schlimm, jetzt wein doch nicht!“ Als er nicht aufhört und weiterweint, ich weiter verstehend schweige und noch ein wenig näher an den Jungen heranrücke, legt die Mutter noch eins nach. „Komm, reiß dich jetzt zusammen, du bist doch schon groß.“

Wie ich darauf reagiere, erwähne ich hier nicht, doch was ich sagen kann: Mich hat das Verhalten der Mutter nicht kalt gelassen, um ehrlich zu sein, menschlich entsetzt.

Denn so handeln nicht einmal Elefanten. Ich sah eine Dokumentation über Waisenelefanten, die mich zutiefst berührte. Alle kleinen Elefanten haben ihre Eltern durch Wilderei verloren in einer Zeit, wo sie noch vollkommen von diesen abhängig waren. Ohne die Hilfe von Menschen hätten diese kleinen Elefanenbabys keine Überlebenschance gehabt. Dass dieser Verlust diese sensiblen Wesen nicht kalt ließ, sah jeder Zuschauer, der auch nur ein wenig Einfühlungsvermögen besitzt. Manchmal stand einer dieser kleinen Elefanten einfach nur traurig da, es kullerten ihm Tränen aus den Augen und sein Köpfchen war gesenkt. Stumm leidend standen sie dann und trauerten, völlig einsam und verlassen und allein; doch nicht lange.
Denn sahen andere Waisen-Elefantenkinder dieses traurige Wesen, so näherten sie sich ihm, ganz behutsam, ganz zärtlich, einfühlsam und wenn sie ihm dann ganz nah waren, dann stellten sie sich schweigend neben das traurige Elefantenkind. Ganz nah und dann….legten sie ihr Rüsselchen schützend über das traurige Elefantenbaby, so als wollten sie sagen: Ich bin da und bei dir – einfach nur da und halte dich, bis es dir wieder besser geht!

Welch eine mitmenschliche Geste – Trost – ohne Worte, einfach nur verstehendes Dasein.

Da habe ich auch geweint und meiner Traurigkeit freien Lauf gelassen.

Traurig, dass viele Menschen nicht einmal mehr merken, wenn jemand traurig ist.

Traurig, dass es viele Menschen gibt, die sich nicht einfühlen können, weder in ihre eigene Gefühlswelt, noch in die Gefühlswelt eines anderen.

Traurig, dass es viele Menschen gibt, die nicht mehr in der Lage sind, auf Traurigkeit einfach mit TROST zu antworten und damit ein inniges Bedürfnis des Menschen zu stillen – in der Not TROTST zu erfahren, durch TROST genährt zu werden – schweigend, stumm und doch haltend…

Traurig, dass auf ein Überlebensnotwendiges Gefühl aus der Steinzeit, mittlerweile nicht mehr mit Mitgefühl und Zuwendung, sondern mit Vernunftappellen reagiert wird.

Ich würde mal sagen: Der Mensch kann offenbar vom Elefanten etwas zutiefst Menschliches lernen und das ist sehr traurig, denn viele haben es offenbar schon soweit  kommen lassen, dass der Versuch unternommen wird, auf Mitgefühl und Gefühle zu verzichten….Kein Fortschritt, sondern der Anfang der Entmenschlichung des Menschen….

Herzliche Umarmung.