Traditionsbäcker – mehr als nur Brot

BrotEs ist eine Wohltat. Du betrittst den kleinen Verkaufsraum der Dorfbäckerei Singer in Auggen und wirst begrüßt mit einem Lächeln, einem freundlichen „Guten Morgen Frau Mannhardt“, einem unsagbar guten Geruch nach frischem Brot und Backwaren, die alles andere sind als Massenware. Manchmal erinnert es mich an Italien, wenn ich die Bäckerei betrete. Da stehen gemütlich bekannte Gesichter, trinken ihren Kaffee, essen ein Gebäck und reden angeregt miteinander. Man erzählt sich aus dem alltäglichen Leben, man begrüßt einander und hält ein kurzes Schwätzchen, während die Wartezeit überbrückt wird. Ich liebe das Vollkornbrot besonders, das schon anhand des Gewichts zeigt: Ich bin echt und ohne Backhilfsmittel hergestellt.

Ja, es gibt sie noch diese wunderbaren, artisanalen Traditionsbäcker. Sie repräsentieren ein Stück vergangene Zeit, die es, so meine ich, zu bewahren gilt. Mich überkommt ein geborgenes, wohliges Gefühl dabei, ein Stück Stabilität und Sicherheit in dieser Welt, die sich für viele viel zu schnell zu drehen scheint und die Menschen darin mehr und mehr verunsichert zurücklässt.

 

Doch Viele bemerken es nicht. Neulich ließ mich eine mir bekannte Person ganz stolz ihr Lieblingsbrot kosten. Es sei nicht nur gut, sondern auch sehr billig. Es stammt von einem Discounter und der Stolz über dieses Brot war ihr ins Gesicht geschrieben, so ein „Schnäppchen“ gemacht zu haben und auch noch „das beste“ Brot zu essen. Konservierungsstoffe, Backtriebsmittel, Backhilfsmittel, Farbstoffe zum vorgaukeln von „Vollkorn“ und Co. interessierte sie nicht, die gesparten 0,30 Cent waren ihr Lohn. Lohnt sich diese Pfennigfuchserei wirklich? Hat sie tatsächlich diese 0,30 Cent im Geldbeutel und am Ende des Monats ein paar Euro übrig? Wofür? Um noch mehr zu sparen, noch mehr „Geiz ist geil“ an den Tag zu legen, noch mehr Traditionsbäckern den Garaus zu machen? Lohnt sich das wirklich?

Mir wurde erzählt, dass das offenbar das erklärte Ziel vieler Discounter zu sein scheint. Kürzlich wurde gegenüber einem Gemeindebäcker, dem ein Knebelvertrag vorgelegt wurde, auf den er sich nicht einlassen wollte gesagt: „Wenn ihr Bäcker nicht mitmacht, dann stellen wir eben einen Backautomaten auf. Wir kriegen Euch schon tot.“

Eine Freundin aus dem hohen Norden sagte mir kürzlich, dass im Umkreis von 25km keine einzige Bäckerei mehr zu finden sei und man überhaupt keine Chance mehr hat, wirklich echtes, frisches Brot zu bekommen, sondern nur noch aufgebackene Backlingsware. Doch nicht nur im ländlichen Raum wird es langsam kritisch, auch in der Stadt. Als ich kürzlich in Freiburg war und in einer kleinen Seitenstraße einen Traditionsbäcker sah und in die wohlige Stube eintrat und mit der Chefin sprach, da erzählte Sie mir unter Tränen, dass allein in ihrer Straße mittlerweile vier Aufbackstationen sind und ihr über 150 Jahre altes Geschäft noch imselben Monat für immer schließen wird. Allein in der Kaiser-Josef-Straße, der Haupteinkaufsstraße in Freiburg schlossen 11 Bäckereien ihre Türen. Wer in der Innenstadt echtes Brot und frische Brötchen möchte muss weit laufen und ganz genau wissen, wo er sie findet….

Für mich geht es im Bäckereien-Sterben um viel mehr, als um Geld oder Qualität von Brot oder der Diskussion von Nährstoffen oder eine perfekte Allergenkennzeichnung oder um eine reine Geschmackssache. Es geht auch nicht um Nostalgie oder eine „früher war alles besser“-Diskussion.

Gehen wir 20 Jahre in die Zukunft. Viele von uns sind dann alt und nicht mehr so gut zu Fuß. Unser soziales Umfeld ist begrenzter, die sozialen Kontakte nehmen ab, weil viele Freunde, Bekannte und Verwandte verstorben sind. Wollen wir dann wirklich 20km fahren, um ein echtes Brot zu kaufen? Geht es dann wirklich um Geiz ist ja soooo geil oder vielleicht um etwas ganz anders? Wollen wir uns dann wirklich mit einem Backautomaten unterhalten, kein Gegenüber mehr haben, der uns „sieht“ und als Mensch wahrnimmt, oder wollen wir doch, wie bei Familie Singer, freundlich begrüßt werden, mit Namen; Menschen treffen, die in der Hektik des Lebens einen Moment innehalten und füreinander Zeit haben und sich gegenseitig das Gefühl von Geborgenheit und Zugehörigkeit spüren lassen?

Noch haben wir die Gelegenheit, ein Stück dieser Lebens-Sicherheit und dieses Lebens-Sinns zu bewahren, indem wir uns dem Geiz ist geil Virus entziehen und dafür Sorge tragen, dass kleine Familienbäckereien, wie die von Familie Singer, überleben, denn es sind nicht „nur Bäckereien“ und sie verkaufen auch nicht nur Brot, sondern ein Stück Lebensqualität.

 

 

 

Seniorentag – LebensWERT im Alter

Poster„Menschen wollen nur zwei Dinge: Alt werden und dabei jung bleiben.“

Senioren sind verschieden

Wir kennen Sie alle, die rüstigen Senioren, die mit Wanderstöcken, Wohnmobil oder Bussen unterwegs sind und auch weite Reisen mit über 80 Jahren noch auf sich nehmen. Gesund und fit, so wünschen sich alle ihren Lebensabend, von niemandem abhängig und selbstständig. Heute lernte ich eine Frau mit 87 Jahren im Zug kennen. Sie war auf ihrer Heimfahrt vom Feldberg, wo sie Ski gelaufen ist. Wir tauschten uns rege aus über die Pisten, das Wetter, dies und das. Ihr Alter spielte keine Rolle – meines auch nicht. Auch meine Eltern waren mit über 80 Jahren noch gemeinsam auf Auslandsreise und ich kann mich gut erinnern: Essen und Ernährung war kein Thema, weder für diese Frau, noch für meine Eltern. Man isst, man trinkt, man lebt, lacht wie mit 60, 70 Jahren, macht sich wenig Sorgen und Gedanken über Nährstoffbedarfe, Gewicht und gesunde Ernährung, sondern isst wie man es gewohnt ist und es schmeckt. Alt und Senioren sind nur die Anderen.

Doch wie schnell ändern sich die Dinge. Heute ist meine Mutter Pflegestufe 3, lebt ein Leben im Rollstuhl und ist angewiesen auf die Hilfe meines Vaters, den Sozialdienst, auf die dauerhaft bei uns lebende polnische Pflegefachkraft und ihre Kinder. Ihnen beiden ein Leben zu Hause, in den eigenen vier Wänden so lange wie möglich zu ermöglichen und so angenehm wie möglich zu machen, das ist das Ziel, denn raus in die weite Welt, oder in die nächste Stadt, ins nächste Restaurant kommen sie nur noch selten. Und wie uns geht es vielen Familien und Senioren in diesem Land. Und wie bei uns sind Essen und Schwierigkeiten damit irgendwann, ganz plötzlich zentrale Themen der Senioren, wie ich es auch aus meiner ernährungstherapeutischen Beratungspraxis kenne.

Herr K. wünscht einen Beratungstermin. Seine Mutter (84J.), lebt noch zu Hause, doch nimmt sie einfach nicht genügend Nahrung zu sich. Sie verliert an Gewicht und er mache sich Sorgen um Ihre Gesundheit und Nährstoffversorgung. Ebenso sorgt sich Frau Z. Ihr Vater wird zwar durch Essen auf Rädern versorgt. Doch wenn Sie abends zu ihm geht, stellt sie fest, dass das Essen fast unberührt dasteht und er kaum etwas getrunken hat. Auch er hat in letzter Zeit stark an Gewicht verloren.
Frau S. hingegen sorgt sich hingegen, dass ihr Vater, der ebenfalls noch zu Hause lebt und von einer Rumänin liebevoll umsorgt wird, beim Essen so gar keine Grenze mehr findet. Er habe so sehr an Gewicht zugelegt, dass die Pflegefachkraft langsam Mühe hat, den Vater vom Rollstuhl auf den Treppenlift und von dort ins Bett zu bringen.
Eine weitere Klientin erkundigt sich für Ihren betagten Vater, weil sie wissen möchte, wie viel ein Senior trinken muss, denn sie habe das Gefühl, ihr Vater trinke so gut wie nichts mehr. Sie sieht dies in Zusammenhang mit den vielen Stürzen. Auch möchte er nur noch Weiches essen und lehnt ihr Gemüse ab.Frau P. klagt über die schlimme Verstopfung ihrer Mutter. Eine Pflegefachkraft über den plötzlichen Durchfall einer dementen Frau in ambulanter Betreuung, der mit Bauchweh einhergeht.

 

In der Ernährungstherapie geht es um das Wohl des Einzelnen

 

Was an dieser Stelle festgehalten werden kann ist, dass wenn das Thema „Essen“ im Alter zum Thema wird, es um viel mehr geht, als um Nährstoffbedarf und bloße Wissensvermittlung rund um gesunde Ernährung. Und diese Themen sind dann so verschieden, wie die Senioren selbst, die nur Eines gemeinsam haben, ihre Unterschiedlichkeit. Die eine richtige Seniorenernährung kann es folglich auch nicht geben, sondern nur einen je eigenen individuellen Weg auch bei Tisch in Gleichgewicht und Wohl zu bleiben.

Das bedeutet, dass sich professionelle Ernährungstherapie im Seniorenalter um mehr kümmert, als „gesunde Ernährung“ und sich gegebenenfalls auch an ganz verschiedene Menschen richtet: An die Senioren selbst, häufig sind die Ansprechpartner aber die Angehörigen oder Pflegekräfte. Und auch die Themen sind sehr verschieden. Manchmal handelt es sich um „Gewichtsthemen“ oder um „Themen rund um die Verdauung“, manchmal um Widerstände wie „ich will nicht“, „ich kann nicht“, manchmal um Phänomene wie Demenz und Emotionen wie Wut, Traurigkeit, depressive Verstimmungen, Umgang mit Allein sein, Trauer, Angst vor dem Sterben und Co., die sowohl die Betroffenen selbst, als auch die Angehörigen und Pflegenden an ihre Grenzen bringen.

 

Daher meine Bitte und die Bitte meiner Kollegen. Warten Sie nicht zu lange, bis Sie sich professionelle Unterstützung holen, damit sowohl ihre Senioren, als auch Sie selbst in ihrem Gleichgewicht bleiben, gerade wenn der Wunsch nach immerwährender Fitness, Gesundheit und Jugendlichkeit im Alter nicht erfüllt wird. Das Leben kann trotzdem erfüllt sein und wie sagte einst der französische Dichter Jean Baptiste Molière: «Wenn ich gut gegessen habe, ist meine Seele stark und unerschütterlich; daran kann auch der schwerste Schicksalsschlag nichts ändern.»   Jean Baptiste Molière (französischer Dichter)

 

Erster Schliengener Seniorentag

 

Damit sich ältere Menschen wohl fühlen, damit Sie so lange wie möglich zu Hause selbstständig leben können, braucht es neben guter Verpflegung aber auch das Wissen darum, was das Leben im Alter erleichtert: „Welcher Frisör macht Hausbesuche? Wer liefert Hygienebedarf nach Hause, wenn ich nicht mehr Auto fahren kann? Gibt es jemanden, der mir die Einkäufe tätigt? Was für Aktivitäten gibt es für Senioren? Wie kann ich Stürze vermeiden und worauf kommt es bei der Bewegung an? Wo sind Projekte in denen ich mitarbeiten kann? Gibt es sinnvolle Helfer für zuhause, die mir mein Leben erleichtern, wenn die Kraft nachlässt? Was ist eine Patientenverfügung? Gibt es bei uns am Ort auch Beratungsstellen für Angehörige? Wohin, wenn die Angehörigen an ihre Belastungsgrenzen kommen? Wer kümmert sich denn überhaupt um das Wohl älterer Menschen in unserer Region?“ All diese Fragen und noch viele mehr stellt sich jeder, der nicht mehr ganz so fit und gut zu Fuß ist und so beschlossen wir, der Verein Menschen und Menschen e.V. und die Praxis für Ernährungstherapie eine Veranstaltung zu organisieren, wo sich alle Anbieter von sinnvollen und nützlichen Produkten und Dienstleistungen für Senioren präsentieren können. Am 28. Februar ist es nach längerer Vorbereitungszeit nun soweit und wir freuen uns über viele Besucher unserer Senioren-Messe, die sowohl Vorträge, Aussteller und Mitmachaktionen bereithält und die Bürger-Broschüre „Seniorenwegweiser“ vorstellt mit allen wichtigen Adressen rund um´s älter werden und älter sein auf einen Blick.
Auch die Praxis wird mit einem Stand, einem Vortrag und einer Mitmachaktion vertreten sein. Ich freue mich über viele Besucher, Fragen und Begegnungen.

 

 

Was wir aktuell für Senioren oder Profis, die mit Senioren zu tun haben, anbieten:

 

  • Individuelle Ernährungstherapie (siehe unten)
    auch telefonisch oder Online, falls ein Besuch nicht möglich ist.
  • Webinare für Angehörige von Senioren mit Demenz https://prof-eat.edudip.com/w/99036
  • Am 28. Februar veranstalten wir einen Seniorentag mit vielen Angeboten (rechts)
  • Für Fachkräfte in der Altenpflege, Krankenpflege, Experten in der Geriatrie, Ernährungsfachkräfte bieten wir (Akademie für Beratung und Philosophie GbR) ab dem 16.4. eine Weiterbildung zum tiefenpsychologischen Berater an. beratungundphilosophie.de oder Link auf Broschüre